Von Stalingrad bis Rajneeshpuram


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.tabaan.de ]

Abgeschickt von Ein Leser am 03 November, 2002 um 07:48:01

Osho Times - Ausgabe November 2002

Von Stalingrad bis Rajneeshpuram
Wie ein Blick zurück uns manchmal
auch beflügeln kann
von Parigyan

Wer dieser Tage aufmerksam Nachrichten hört oder Zeitungen liest, der kommt an ein paar grundsätzlichen Fragen nicht mehr vorbei: Müssen wir uns ernstlich Sorgen machen? Zieht die schlechte, durch grenzenlose Habgier verkorkste Börse die Weltwirtschaft in eine jahrelang anhaltende Rezession? Gibt es dann Arbeitslose ohne Ende? Droht ein neuer Krieg im Irak? Und was passiert mit unserer Erde? Die Gletscher schmelzen unaufhaltsam dahin, sintflutartige Regengüsse bringen massive Überschwemmungen in ganz Europa. Andere Teile der Welt werden erst von Dürre, dann von riesigen Waldbrände nheimgesucht. Ist das etwa noch normal? Oder gerät das Klima mitsamt der Weltwirtschaft nun endgültig aus den Fugen?

Alles Fragen, die unsere Gegenwart vermeintlich düster und hoffnungslos erscheinen lassen. Zumindest wenn man dem allgemeinen Tenor in Deutschland folgt. Wo man hinhört, klagen die Menschen über größeren Arbeitsdruck und wachsende Existenzängste. Wie leicht kann es da passieren, dass wir den Blick abwenden und uns nostalgisch verklärt an „die guten alten Zeiten“ erinnern? Auch eine Gemeinschaft wie die der Sannyasins ist gegen diese Gefahr nicht gefeit. Denn die ergrauten Häupter werden zahlreicher, die so genannte „Jugendsekte“ (sie darf jetzt offiziell so genannt werden! Siehe Urteil des BVG) kommt in die Jahre. Diese „älteren Herrschaften“ erzählen zuweilen mit glänzenden Augen von ihren Abenteuern und Erlebnissen in „Zorba the Buddha“ Diskotheken und Restaurants, von Tantra- und Encountergruppen im Ashram oder ihrem vierzehnstündigen Arbeitsalltag in der Commune. „Mein Gott, was waren das für Zeiten und was für eine Energy beim Festival in Rajneeshpuram! Zwanzigtausend Leute aus aller Welt waren da! Und stell dir vor, ich hab damals den Abwasch gemacht. Und danach bin ich noch in die Disko gegangen für ein „Date“.“ Unsere Großväter sprachen noch mit glänzenden Augen von der Schlacht um Stalingrad, die Väter mit Stolz geschwellter Brust vom wunderbaren Aufstieg im Nachkriegsdeutschland. Und wir? Erzählen heute den jungen und neuen Sannyasins völlig begeistert vom sagenhaften Rajneeshpuram, von den goldenen Zeiten der Osho Bewegung. Was unterscheidet uns da noch von unseren Vorfahren? Sind die aufregenden Zeiten denn endgültig vorbei?

Das Jahr 2002 scheint für die „alten Hasen“ unter den Sannyasins ein ganz besonderes zu sein. Denn 1982, vor zwei Jahrzehnten, erlebte die Sannyasbewegung und damit alle die daran teilnahmen, in Deutschland einen regelrechten Boom. In den Straßen sah man mehr und mehr orange gekleidete Menschen mit Holzkette und dem Bild eines indischen, graubärtigen Meisters um den Hals. Die Presse berichtete von Bhagwan als dem Sexguru mit den vielen Rolls Royces, von wilden und unkonventionellen Sannyasins und von gewalttätigen Tantra- und Encountergruppen. Sie schürte damit nur die Neugier aufs Verwegene, Ursprüngliche und Unbekannte. Ein Buch mit dem Titel „Ganz entspannt im Hier und Jetzt“ von A. Elten (Satyananda) wurde zum Kultbuch und Bestseller und brachte im Schlepptau tausende von neuen Suchern zu Osho.

Es war der Beginn einer neuen Phase der Bewegung. Das alte Poona, ein Paradies schlechthin für langbärtige Hippies und Aussteigerinnen mit wallenden Gewändern, hatte als Zentrum ausgedient. Stattdessen entstand mitten in der Einöde Oregons etwas völlig Neues: die Manifestation einer Utopie – Rajneeshpuram. Eine moderne Stadt und Kommune, die all das verwirklichen sollte, worüber Osho die Jahre zuvor in Indien gesprochen hatte: eine spirituelle und doch weltliche Gemeinschaft, gegründet auf Werten wie Bewusstheit, Liebe und Respekt vor dem Leben. Eine Kommune, die kein Privateigen-tum mehr kennt, in der die Kinder nicht mehr nur von ihren Eltern aufgezogen werden und in der es so etwas wie die einengende Institution der Ehe und damit die Kleinfamilie nicht mehr geben würde.
Die Stadt, am Anfang nichts weiter als eine große matschige Ranch (Big Muddy) steckte noch in ihren Kinderschuhen, wurde aber schon mit Volldampf in Angriff genommen. In einigen Städten in Europa gab es Sannyas Kommunen mit bis zu vierhundert Mitgliedern, mit Restaurants, Diskotheken und anderen Firmen, die Geld für das Projekt Rajneeshpuram erwirtschafteten. Allseits herrschte eine enthusiastische Aufbruchstimmung, gepaart mit einer naiven Euphorie, die alles möglich erscheinen ließ. Für viele war diese Zeit bedeutungsvoll und herausragend. Aber was blieb von all dieser Begeisterung übrig? Was haben wir von dieser Utopie verwirklicht? Wie leben wir Oshos Vision heute?

„Kinder der Erleuchtung“, so der Titel einer Fernseh-Dokumentation, die vor ein paar Wochen vom WDR ausgestrahlt wurde. Gezeigt wurde darin der mehr als zwanzig-jährige Weg von zwei Sannyasschwestern (Varda und Nandan aus München). Beide hatten schon zu Beginn ihrer Reise mit Osho Töchter. Eine zwei, die andere eine. Alle wuchsen mehr oder weniger in diese turbulenten Zeiten hinein. Obwohl der Beitrag wieder einmal die alten Klischees mit den üblichen Nacktszenen und Bildern von wild zuckenden Gruppenmitgliedern bediente, war der Grundton doch recht positiv. Alle Frauen hatten diese Zeit als sehr intensiv und bereichernd erlebt. Selbst die jungen Frauen, die ein eher distanziertes Verhältnis zu Osho eingenommen hatten, sprachen davon, wie sie in dieser Zeit ein Urvertauen ins Leben entwickeln konnten.
Vor ein paar Monaten trafen sich die ehemaligen Mitglieder des Sneha Ashrams in Bayern nach zwanzig Jahren zu einem „Revival-Meeting“. Auch sie frischten gemeinsame Erinnerungen an die „wilden Zeiten“ auf. Sie stellten sich aber auch bewusst der Frage, wie diese Phase sie in ihrem jetzigen Leben beeinflusst. (OTI #10) Ihrem Bericht zufolge ist der Traum von einer Kommune bei vielen auch heute noch lebendig.
Ob im Juli beim Sommerfest auf dem Rhein in Köln oder im September beim Münchner Fest in der Reithalle, Sannyasins lieben es zu feiern. Man trifft alte Freunde, tanzt, lacht und amüsiert sich – und tauscht auch Erinnerungen aus, aber meist steht das aktuelle Fest im Mittelpunkt.
Als Sucher haben wir schließlich mal gelernt, dass es nur eine Zeit und einen Ort gibt, in denen man wirklich ganz präsent sein kann: Das HIER & JETZT! Wenn wir allerdings die Erinnerung nutzen, um unser Leben jetzt im Moment neu zu hinterfragen oder um uns von unserer damals gelebten Begeisterung wieder neu anstecken zu lassen, dann lohnt es sich schon, in die Vergangenheit zu schauen.

Vieles hat sich in „der Bewegung“ in den letzten zwanzig Jahren geändert. Oshos Bücher, jetzt auch von großen Verlagen herausgebracht, verkaufen sich zu zigtausenden an Hausfrauen, Geschäftsleute, Studenten oder Rentner. Seine Meditationen bringen in Kliniken, Volkshochschulen und Manage-mentkursen Menschen sich selbst und einander näher. Weite Bereiche der Körper- und Psychotherapie, ja ein großer Prozentsatz aller transformativer Wachstumsarbeit, angefangen vom Familienstellen nach Hellinger bis hin zu Tantra-Seminaren oder Craniosacral-Therapie werden von Sannyasins angeboten oder sogar von ihnen weiterentwickelt. Der Einfluss von Osho auf die Gesellschaft, in der wir leben, ist eher indirekt, unscheinbar und leise, aber dennoch deutlich spürbar. Heute berichtet keine Tagesschau, kein Spiegel oder Stern mehr darüber und das ist auch gut so. Meditation und Bewusstseinsarbeit sind über die Jahre gesellschaftlich akzeptierte Themen geworden. Und ob es nun Therapie, Putzen, Computer programmieren, Kochen oder Kunst ist, über die sich Sannyasins zum Ausdruck bringen, etwas von Osho, von Bewusstheit, Kreativität und von Feiern schwingt dabei immer mit. Sannyas ist keine „Bewegung“ mehr im Außen, mit riesigen Kommunen und großartigen utopischen Projekten, samt dem entsprechenden Medienrummel, sondern tagtägliche Kleinarbeit am eigenen Wachstum und das Weitergeben von dem was wir gelernt haben an andere. Und was die Nachrichten angeht, sollte man sie nicht allzu oft anschauen, und auch nicht allzu ernst nehmen. Meistens kommt es ja doch anders als es viele voraussagen. Und außerdem helfen Angst und Sorge wirklich niemandem weiter. Was diese Welt weitaus dringender nötig hat ist mehr Tanzen, Lachen und Bewusstheit. Und soweit ich das sehen kann gibt es auf diesen Feldern viele, viele kleine Fortschritte. Auch ein mächtiger Fluss erwächst aus tausend Rinnsalen.





Antworten:



Ihre Antwort

Name:
E-Mail:

Subject:

Text:

Optionale URL:
Link Titel:
Optionale Bild-URL:


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.tabaan.de ]